Rede von Bezirksrätin Birgit Raab zum Haushalt 2009 am 04. Dezember 2008
(Anrede)
heute findet nicht nur die mittelfränkische Haushaltssitzung des Bezirkstages statt, sondern auch gleichzeitig in München das Gespräch zwischen den kommunalen Spitzenverbänden und der Landesregierung zur zukünftigen Höhe und Verteilung der Finanzausgleichsmittel (FAG-Mittel). Dieses Gespräch hätte bereits vor einer Woche stattfinden sollen, wurde aber wegen der dramatischen Ereignisse um die Bayerische Landesbank kurzfristig verschoben.
Während Herr Seehofer seine Regierungserklärung nach hinten verlegt hat, müssen wir mit der aus der Finanzkrise resultierenden Ungewissheit unseren Haushalt aufstellen. Gegen die Finanzlöcher, die von Woche zu Woche, mit atemberaubender Geschwindigkeit zunehmen, ist unser Haushaltsvolumen von etwa 580 Millionen Euro sehr überschaubar. Aber es sind entscheidend wichtige Millionen – sozusagen der Sozialhaushalt der Region.
Aktuell ist von 30 Milliarden oder 30 000 Millionen Euro die Rede, um die Landesbank zu retten. Das entspräche ca. 60mal dem Volumen des Bezirkshaushalts; Geld in so astronomischer Höhe, dass es kaum vorstellbar ist.
Wir hoffen, dass die bayerische Landesregierung der Versuchung widersteht, diese „schwarzen“ Finanzlöcher auf Kosten der Gemeinden, Städte, Kreise und Bezirke zu stopfen, indem die FAG-Mittel stark gekürzt werden. Der jetzige Haushaltsentwurf beruht auf der Beibehaltung von FAG-Mitteln in Höhe des Vorjahres. Die Bezirkstagsfraktion der GRÜNEN wünscht sich, dass dieser Optimismus sich bewahrheitet und nicht plötzlich Nachtragshaushalte mit nachträglichen Steigerungen der Bezirksumlage nötig werden.
Es wundert uns schon, dass CSU, SPD und Freie Wähler sich gegenseitig bei der Senkung der Bezirksumlage überbieten wollen.
Wer in noch relativ guten Zeiten mit einem Griff in die Rücklagen die Kommunen entlasten will, dem bleibt dann in der Rezession nur eine drastische Bezirksumlagenerhöhung. Das ist eine prozyklische Politik, die zur Handlungsunfähigkeit und zu noch mehr Chaos führen wird. Dann können wir in den Haushaltsjahren 2011 und 2012, wenn die Basiszahlen der Steuer- und Umlagekraft aus den Jahren 2009 und 2010 zugrunde liegen, ein Schild ans Bezirksrathaus hängen mit der Aufschrift: „Wegen Rezession geschlossen, bitte wenden Sie sich in dringenden Fällen an die Heilsarmee!“
Wo bleibt hier unsere Verantwortung für die uns übertragenen Aufgabenfelder – besonders auch für die neu hinzugekommenen?
Seit Jahren sind die Ausgaben für Menschen mit Behinderungen stark eingefroren gewesen; es gab zahlreiche Nullrunden, und im letzten Haushalt sind die Mittel im Sozialetat nur geringfügig angehoben worden. Nun ist es an der Zeit, ein Zeichen zu setzen, und die gute Kassenlage zur Verbesserung der persönlichen Verhältnisse von Menschen mit Behinderungen, Menschen mit Suchtproblemen oder alten Menschen zu nutzen, indem wir z. B. wieder das Mittagessen in Werkstätten oder Tagesstätten für Menschen mit Behinderungen bezahlen. Ich darf in diesem Zusammenhang daran erinnern, dass wir GRÜNE uns bereits im Jahr 2005 mit entsprechenden Anträgen gegen diese Streichung gewendet haben. Ferner appellierte der Bezirkstag seinerzeit einstimmig an die Staatsregierung, den alten Rechts- und Verfahrensstatus wieder herzustellen. Auch der Sozialausschuss des Landtages hatte in der vergangenen Periode eine solche Forderung erhoben, ohne das mit einer Gesetzesänderung des AGSGB ernsthaft zu untermauern. Ein Trauerspiel in mehreren Akten! Wir werden deshalb Bezirksumlagensenkungen mit mehr als 0,4 Punkte ablehnen.
Was hat das für einen Sinn, jetzt das Füllhorn auszuschütten und in wenigen Monaten möglicherweise den Büßergang anzutreten, um nötiges Geld für die Erledigung unserer sozialen Aufgaben wieder zu erhalten, sollten die FAG-Mittel wider Erwarten gekürzt werden? Wer seine Daseinsberechtigung nur an der Höhe der Bezirksumlage misst, der wird alleine durch eine Kürzung nicht mehr Wertschätzung erfahren.
Umlagezahler meinen nämlich grundsätzlich zu viel an den Bezirk abzuführen.
Seit einem Jahr hat der Bezirk Mittelfranken die ambulante Eingliederungshilfe schrittweise übernommen. Ab 1.1.2009 wird der Bereich des Behindertenfahrdienstes von den örtlichen Trägern auf den Bezirk zurückgeholt. Und hier ist es wichtig, sich vor allem von den Ansprüchen der Menschen mit Behinderung auf Verwirklichung ihres individuellen Lebensentwurfs leiten zu lassen. Der Vergleich der Richtlinien in den sieben Landkreisen und fünf kreisfreien Städten in Mittelfranken zeigt, dass es sehr unterschiedliche Angebote und eine große Bandbreite gibt. Das reicht von km-Budgets bis zu einer bestimmten Anzahl von Fahrten, die bezahlt werden. Die unterschiedlichen Ausgangsbedingungen in Stadt und Land erfordern ein sensibles Vorgehen. So gilt es, offene Behindertenarbeit, Mobilitätsangebote, individuelle Wohnmöglichkeiten und manches mehr flächendeckend in ganz Mittelfranken aufzubauen oder weiter zu entwickeln. Wir wollen hier eine Angleichung auf hohem Niveau erreichen. Dies sollte das Leitziel des Bezirks Mittelfranken sein – da schauen die Menschen auch auf uns!
Wer sich um zusätzliche Aufgaben bewirbt, weil er sich für besser geeignet hält, der muss dann auch den Beweis für seine Kompetenz erbringen!
Vor einigen Jahren sind die Gelder für den Denkmalschutz aus dem kameralen Haushalt in den Stiftungshaushalt zur Entlastung der Umlagezahler umgeschichtet worden. Wir halten den richtigen Zeitpunkt für gekommen, die Finanzmittel für diese Pflichtaufgabe des Bezirks wieder in den kameralen Haushalt einzustellen. Denkmalpflege ist ein Wirtschaftsfaktor. Es ist deshalb richtig, wenn die einzelnen Gemeinden, Städte und Landkreise über die Bezirksumlage diese Pflichtaufgabe mitfinanzieren, von der sie erheblich profitieren.
Nach vier Jahren umweltpolitischen Rückschritts begrüßen wir die Wiederaufnahme der erfolgreichen Zusammenarbeit zwischen Bezirk und Umweltverbänden. Damit wird nun Umweltbildung am Rothsee möglich, die Weiterführung des Quellschutzprojektes durch den LBV gesichert, das Kirschenprojekt in Kalchreuth weitergehen oder ein Naturpädagogikprogramm für Kinder und Jugendliche mit vielfältigen Exkursionen in die städtische Natur im Großraum Nürnberg über den Bund Naturschutz aufgelegt werden können. Diese Gelder für Umweltprojekte sind direkte regionale Wirtschaftsförderung und gut angelegt.
Erst vor wenigen Wochen war ich bei der Eröffnung der Fisch- und Wildtage in Feuchtwangen. Und was ich dort von Wolfgang Heinzel, dem 1. Vorsitzenden des Vereins Regionalbuffet, in einem kurzweiligen Vortrag hörte, halte ich für enorm wichtig. Er sprach vom Trend der Zukunft, der „Bio und Regional“ heißt.
Diesem Trend sollte sich der Bezirk Mittelfranken endlich anschließen und durch die Umstellung der Landwirtschaftlichen Lehranstalten Triesdorf auf ökologischen Landbau eine Vorreiterrolle für „Bio und Regional“ übernehmen. Der „ökologische Landbau der Zukunft“ spart Energie, schont das Klima und die Umwelt und erhält unsere Lebensgrundlagen. Nur ein gesunder Boden bringt gesunde Pflanzen, gesunde Tiere und gesunde Menschen hervor; nur ein gesunder Boden ist in der Lage, CO2 in nennenswerter Menge zu speichern.
Für Triesdorf heißt dies auch: Vielfalt statt Spezialisierung.
Deshalb haben wir beantragt, dass die Wiederbesetzungssperren für die Saatzucht und die Geflügelzucht aufgehoben werden.
Der Anbau allein reicht aber nicht. „Bio und Regional“ muss sich auch in den Kantinen und Küchen des Bezirks widerspiegeln. Hier ist noch viel zu tun! Eine Zentralküche für die Bezirkskliniken Mittelfranken wäre diesem Ziel entgegengestanden. Wir sind deshalb sehr stolz, dass wir GRÜNE einen großen Anteil daran haben, dass es weiterhin in jeder Bezirksklinik eine eigene Küche gibt.
Die Bezirke stehen vor großen Herausforderungen. Nehmen wir diese an mit der ausgewogenen Mischung an sozialer Gerechtigkeit und nachhaltigem Handeln.
Vielen Dank an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Verwaltung und der Bezirkseinrichtungen. Sie haben kompetent, geduldig und ausführlich auf unsere Fragen geantwortet.
Ich danke für die Aufmerksamkeit.
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